Von jüdischen Politikern und guten Völkern.
Antisemitische und (ethno)nationalistische Tendenzen im deutschen Rap
Mit dem Zusammenbruch mehrerer großer Independent-Labels begann im Jahr 2009 eine grundlegende Veränderung der Vertriebs- und Promotionskonzepte in der deutschsprachigen Rap-Landschaft. Durch die Ausbreitung von kostengünstigen HD-Kameras avancierte die Video-Plattform YouTube zum Medium des Straßen- und Gangsterraps, der bisher weder im Musikfernsehen noch im Radio in nennenswerter Weise vertreten war. Zwar waren diese Genres schon immer von Sexismus, Homophobie und androzentrischen Vorstellungen durchsetzt, Nationalismus und Antisemitismus fanden sich aber meist in deutlich geringerem Maße als heute. Egal ob Sexismus, Verschwörungsideologien, Glorifizierung von Islamist_innen, (Ethno-)Nationalismus oder Judenhass: auf den YouTube-Kanälen der Szene wird nahezu jedes Ressentiment bedient. Gekennzeichnet ist diese neue Ideologie durch zahlreichen Ambivalenzen: Religiöse Statements stehen neben Lobliedern auf Drogenkonsum, antisemitische Projektionen der Zirkulation neben einer Fixierung auf weltliche Güter, und der universelle Gedanke des HipHop wird immer mehr durch (Selbst-)Ethnisierung verdrängt. Der Vortrag versucht, diese Entwicklung in kritischer Absicht anhand einzelner Beispiele nachzuzeichnen, um einen Begriff von dieser neuen Ideologie zu entwickeln, die zwischen Kämpfen um Anerkennung und alten Ressentiments entstanden ist. Marius Mocker ist Redakteur bei Radio Z und lebt, arbeitet und studiert in Nürnberg. Im Rahmen diverser Beiträge befasst er sich mit aktuellen kulturellen und politischen Debatten und Phänomenen.
von Mario Thomas in Events