Sie stehen noch immer, blicken missmutig von der anderen Straßenseite herüber auf den Eingang zum Boulevard. Die Zeugen standen bereits dort, als der Brühl noch lebte, als Musik noch durch die Wände hinaus auf den Boulevard drückte und sich Menschen in den kleinen Cafe´s niederließen, um vom Bummel auszuruhen. Traurig, bedenkt man, dass sie, wie sie dort alleine bei jeder Witterung draußen das Magazin fest umkrampft herumlungern, dem, was man als Rebell bezeichnet, mittlerweile am nächsten kommen. Was sagt das aus, wenn man im Vergleich mit ihnen schlecht abschneidet? Sie können ihn noch bezeugen, den Niedergang und Fall des Viertels, bewachen die Tore zum Brühl und blicken in diesen Tagen von ihrem Wachturm aus, in Richtung “Nischel”, wo kommende Ereignisse ihre Schatten in Form einer wuchtigen Stirn und eines eckigen Bartes voraus werfen.
Die Stadt beweist mit „Rock am Kopp“ Initiative, geht aber, wenn auch im Ansatz löblich, nicht weit genug. Es braucht nicht nur Konzepte sondern auch eine glaubwürdige Haltung, um die vielen Worthülsen wie „Stadtfest“ oder „Kulturkaufhaus“ mit Inhalten zu füllen, die gerade der jungen Generation fehlen. Der Slogan “Die Stadt bin ich” vermutet, dass die Stadt ein Konstrukt ist, an das es zu glauben lohnt, formuliert jedoch im selben Atemzug Zweifel an der eigenen Aussage. Ähnlich zu Pinocchios “Ich bin ein richtiger Junge” kann das Ganze nach hinten los gehen und wird sehr wahrscheinlich falsche Signale nach außen tragen.
Nur soviel soll noch gesagt sein. Den Verzweiflungsstolz der Chemnitzer für Werbung zu nutzen ist mutig und lässt auf hohe Risikobereitschaft schließen. Gespannt und unangenehm angespannt bleibt abzuwarten, ob auch diese Veranstaltung wieder einen peinlichen Nachgeschmack hinterlassen wird. Hoffen, dass alles gut geht kann man ja trotzdem.
von Yannick Fiedler in Blog