Die ersten Wochen des neuen Jahres sind von uns abgefallen und es geht weiter, einfach so. Bundesmutti wird auch 2015 wieder eine Fresse ziehen als hätte sie sich am Vorabend den Pimmel gezerrt. Aber sie ist ein taffes Luder und wird auch das packen. Es bleibt alles beim Alten. Die ersten Bands werfen ihre Platten auf den Markt, wo in letzter Zeit erschreckend viele Alben vom Typus Pinocchio rumlungern. Alben die krampfhaft versuchen das nächste große und wahrhaftige Ding zu sein, nur für diesen einen Zweck konzipiert und doch mit dem Geruch der Verzweiflung behaftet. Kann es sein, dass der Musikergilde langsam aber sicher nichts mehr einfällt, dass durch konstruierte Alben über das Fehlen von Zukunftsvision hinweggetäuscht wird, über panische Angst vor expressivem Ausdruck? Eine enorm lange Phase, in der sich nichts originelles mehr ereignet hat, findet nun ihren Fortsatz. Melden sich da etwa schon wieder die nörgelnden Stimmen jener, die behaupten das goldene Zeitalter wäre erreicht. Das Zeitalter in dem sich alles wiederholt, indem sich die Konsumenten stetig etwas übersättigter fühlen, das alle Probleme lösende Mantra rezitierend: „Daran wirst du dich gewöhnen.“ An straff durchkalkulierte Konzeptalben ohne Seele, an allen Enden abgefeilt es jedem recht zu machen, bar jeder Spontanität. Musik verkommt zusehends zu einer unscharfen Silhouette die für nichts steht, sich nichts traut, sich nicht bewegt, ohne Geist.
Ziemlich faszinierende Parallelen finden sich derzeit, wenn man etwas genauer unter die Oberfläche der Geschehnisse schaut. Man gelangt schnell zu dem Schluss hier in bizarren Zeiten zu leben, anders kann ich mir das zumindest nicht erklären. All die alten Symbole im Zauberkasten taugen nichts mehr. Old Fashion Romantik a la „Mann der dem Teufel auf mitternächtlicher Feldkreuzung die Seele für den Blues verkauft“ überzeugt nicht mehr, und dennoch ist irgendwie alles wahr geworden: Heute fängt man ihre Seelen in Hologrammen und fleddert aus der Künstlerleiche heraus was geht. Die perfekte Show für jeden der, der sich das antun möchte, mit der Wunderlampe als neues Symbol des Musikmarktes. Die Aladin gewordene Gestalt einer Pop-Ikone passt auch ohne Rückgrat gut hinein um auf Abruf, oder sollte man sagen „Abrieb“, als Projektion über die Bühne zu schweben. Tupac und Michael Jackson haben die Séance bereits hinter sich, fürs erste, und beide mussten danach auch brav wieder in die Flasche zurück. Vielleicht auch besser so, sonst hätten sie unter Umständen gesehen was man mit all dem Material, ihren halbfertigen Songs und peinlichen Versuchen gemacht hat die ihrem künstlerischen Anspruch nicht genügt haben. Richtig, von Produzentenlegionen zusammenspucken lassen, Glitter oben drauf und ab in die Pressung. Trotz zweifelhafter Qualität hat sich das letzte Michael Jackson Album auch noch sagenhaft verkauft , wahrscheinlich besser als zu Lebzeiten aber das kennt man ja. Als nächstes wird wohl „ der King“ her halten müssen. Immerhin muss man sich hier keine Gedanken drüber machen, die Reinheit einer Kunstfigur zu zerstören indem man auch das letzte Körnchen Dreck zu Geld macht, was je den Körper des Künstlers berührt hat. Dafür ist es in diesem Fall bereits zu spät.
Ich fange an mich nach dem Größenwahn vergangener Tage zurück zu sehnen. Was ist mit den Leuten passiert die, befänden sie sich nicht in lebenslänglicher Selbsttherapie durch Musik sicherlich ohne große Umwege im Knast oder der Klapse gelandet wären. Musiker sind nicht länger unberechenbare Variablen, sondern längst zum Prototyp des Opfers geworden. Die gewöhnliche Kuh die auch noch Milch gibt wenn man ihr all ihre Kälber weggenommen und durch ein räudiges Major-Label ersetzt hat, das gierig an der Zitze saugt und bei Gelegenheit auch ganz gerne mal beißt. Man kann ihm alles wegnehmen, das Geld (wenn er den überhaupt noch welche hat), die Möbel (siehe Klammer zuvor), soziale Kontakte (siehe Klammer zuvor), solange man nicht die empfindliche Sphäre der Muse betritt. Wie weit wir es mit der Entwertung von Kunst noch so treiben können wird weiterhin ein spannender Wettstreit bleiben und den sportlichen Ehrgeiz vieler auf die Spitze treiben die auch etwas abhaben wollen von Dingen die sie nichts angehen. Aber wenn man einen Riecher dafür hat kann man spüren das sich dieser Tage wieder etwas zusammen braut. Wir haben der Musik dieser Generation zu lange gelauscht, die Phrasen öfter gehört als das sie einem nicht innerhalb kurzer Zeit sauer aufstoßen ließen. Was übrig bleibt ist das Sodbrennen einer verebbenden Ära. War´s das? Was kommt dann?
von Yannick Fiedler in Blog